Babelsberg vs. Hansa - Antifußball in der Filmstadt
 
     
 

 

Sind wir doch mal ehrlich. Wer will sich schon Fußball bei Temperaturen um den Nullpunkt angucken? Die Füße mutieren zu tauben Eisklumpen, die Hände schmerzen beim Klatschen und schwitzen tut man unter den fünf Lagen Klamotten letzten Endes doch. Hinzu kommt, dass man als Student, der sein BAföG stets am Wochenende durch Arbeit aufstocken muss, über jedes Spiel unter der Woche glücklich ist – vor allem wenn man in der Hauptstadt versucht an Bildung zu gelangen. Also raus aus der Uni, die Statistikvorlesung sausen lassen und rein in die S-Bahn.
Da die Reisegruppe aus der Heimat erst in Babelsberg dazu stößt und man lieber auf Nummer sicher geht, wird in zivil gefahren. Während auf dem Telefon vermehrt Meldungen über starke Polizeiaktivität auf den Rastplätzen entlang der Autobahn eintreffen, geht es in den Öffentlichen gänzlich ohne Team Green. Erst in Potsdam dann die ersten, mies gelaunt dreinblickenden Gesetzeshüter. Diese machen jedoch keine Anstalten einen Alleingänger mit sportlichem Outfit auf eine Alternativroute zum Karli zu geleiten. Also mitten durch, die Szene Babelsberg links und rechts liegen lassen und Dönermann und Konsum suchen.

Frisch gestärkt geht’s folglich auf den Weg zum Babelsberger Rund. Bei der Menge an Hansafans glaubt man kaum, dass zusätzlich noch Leute aus der Filmstadt ins Stadion passen sollen. Nach den laschen Kontrollen am Einlass und dem entsetzen Blick an die „Speisekarte“ der Fressbuden (lauwarme Bocker und alkoholfreies Bier) treffen auch bald die üblichen Verdächtigen im Gästeblock ein. Man begrüßt sich und das gut gefüllte, Karl Liebknecht Stadion empfängt die 22 Akteure, die an diesem Tag um drei Punkte im Keller der dritten Liga kämpfen. Nach dem furiosen 3:4 in Aachen sind alle heiß und hoffen natürlich auf einen klaren Sieg der Kogge.

Die Stimmung im Gästeblock dementsprechend gut. Nachdem die Babelsberger unser Hansa Forever einspielen steht der Mob 45 Minuten so gut wie nie still. Die Hüpfeinlagen, das Gegröle und Geklatsche treiben einem die Schweißperlen auf die Stirn und die mutierten, Potsdamer Monsterinsekten wollen einfach nicht von einem lassen. Während sich der Anhang also die Seele aus dem Leib supportet, herrscht auf dem Platz das blanke Grauen – nichts für Fußballästheten. Wenn man bedenkt, dass die Leute auf dem Rasen seit ihrer frühesten Kindheit nichts anderes machen, als Minimum 5 Tage die Woche das Leder zu treten, wird einem ganz anders. So ist auch die Führung der Hanseaten eher von primitiver Natur. Nachdem Plat den Ball lieber an die Latte nagelt, statt die Murmel in die Maschen zu zimmern, nimmt sich Leemanns in der 26. Minute ein Herz und drischt die Kugel aus gut 20 Metern gnadenlos in den Kasten der Babelsberger. Die Filmstädter nun wach und bedacht auf ein entsprechendes Gegenargument. So dauerte es gerade mal 5 Minuten bis 03 per Kopfball nach Freistoß den Ausgleich macht. Unsere Defensivabteilung mal wieder ein einziger Sauhaufen und so verwundert es keinen, dass sich die Szenen kurz vor der Pause wiederholen. Freistoß, Kopfball, Tor! Ungünstiger Zeitpunkt. Während von unserer Seite nur Unmutsbekundungen und Kopfschütteln zu vernehmen sind, freut sich die Szene Babelsberg ein Loch in den Arsch. Hier haben sich heute wieder Weltverbesserer und Gutmenschen aller Länder zusammengefunden. Egal ob Blau-Weiß, Braun-Weiß, Rosa oder Regenbogenfarben – hier hält man noch zusammen und macht so richtig Dampf. In Hälfte eins verpuffen die Bemühungen der Filmstadtanhänger aber leider zu oft im Schalle des Gästeblocks.

Sportlich tritt in den zweiten 45 Minuten leider kaum eine Verbesserung auf dem, vom Winter gezeichneten Rasen des Karli ein. Auch nach einem verschossenen Elfmeter der Babelsberger in der 62. Minute und der daraus erhofften Motivation für unsere Elf bleiben ernsthafte Torchancen für Hansa weitestgehend aus. Einfachste Sachen wie Ballannahmen und ein zügiges Kurzpassspiel scheinen unsere Jungs innerhalb weniger Tage komplett verlernt zu haben. Eher hat der hinten gut stehende Sportverein aus Babelsberg noch ein- zweimal die Chance den Sack durch ein drittes Tor zuzumachen.

Während auf dem Platz also eher Kreisklasse-Feeling herrscht, erleuchten südeuropäisch anmutende Lichter die Tribüne hinter dem Gästetor. Blaue und weiße Bengalen, sowie tonnenweise dichter Rauch geben ein mehr als nettes Bild des Rostocker Blocks ab. Kaum verwunderlich, dass der Schiri kurzzeitig die Partie unterbricht um sich das Spektakel in Ruhe aus der Ferne anzugucken. Dass man den Böller hätte weglassen können… ja dazu braucht man nicht viel sagen. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch auf der gegenüberliegenden Seite, nämlich im Ostblock der Babelsberger zwei oder dreimal mehrere Breslauer die Tribüne zum Leuchten bringen. Der Supporterblock Nord der Filmstädter liefert im zweiten Spielabschnitt einen (an der Größe der Szene gemessen) relativ guten Eindruck ab.

Nach dem Abpfiff zwei Welten, vielleicht 20 Meter Luftlinie voneinander getrennt. Während Filmstadt-Inferno & Co ihre Mannschaft feiern, dürfen unsere Jungs am Zaun den Groll der Fans über sich ergehen lassen. Was da geboten wurde spottet jeder Beschreibung. Solche Situationen lassen sich nur mit Galgenhumor ertragen und so schlendert man anschließend im Pulk wieder Richtung Parkplatz und Bahnhof. Die Cops tragen wieder voller Stolz den Aufdruck 1312 auf dem Rücken und haben, zum Erstaunen der Potsdamer Bevölkerung an den Fenstern wenig zu tun.
Man kann nach so einem Spiel bloß hoffen, dass sich die Mannschaft noch irgendwie fängt und es schafft, das rettende Ufer anzulaufen. Die einzig gute Leistung erbringen an diesem Tag die beiden Fankurven. Bei solch unterirdischen Verhältnissen auf dem Platz gebührt denen der Respekt, die sich das Woche für Woche antun und stets ihre Elf nach vorne brüllen. AHU!
 
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